Workshop Mobilitäts-Scouts April 2017

Artikel aus der Passauer Neue Presse, 27.04.2017

Der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Fernbuslinien auf ihre Barrierefreiheit hin zu überprüfen. Zusammen mit dem Bundesverband Impfschaden hat der BSK nun seine „Mobilitätsscouts“ nach Passau entsandt, um nach zuschauen, ob der überschaubare Passauer Fernbusbahnhof – sprich: die Flix-Bus-Haltestelle – den Anforderungen genügt. Das verheerende Ergebnis: mit Bausch und Bogen durchgefallen, nicht genügend. Dabei wäre Potenzial vorhanden.

Die Gesetzeslage ist längst eindeutig, im Personenbeförderungsgesetz ist das Ziel klar und verbindlich verankert: Bis zum 1. Januar 2020 haben alle Fernbusse barrierefrei zu sein. Bereits seit 2016 müssen neue Fahrzeuge behindertengerecht ausgestattet sein. Doch trotz der klaren Vorgabe sieht die Realität, wie Maik Nothnagel weiß, anders aus: „Mir ist völlig unklar, wie dieses Ziel 2020 erreicht werden soll, wenn es so weitergeht wie bisher.“ Nothnagel ist Stadtrat und Fraktionsvorsitzender der Linken in Steinbach-Hallenberg (Thüringen). Er selbst lebt mit einer körperlichen Beeinträchtigung und ist als Projektleiter für den BSK tätig. Kürzlich hat er sich mit seinen Moblitätsscouts die Fernbus-Situation in Pforzheim angeschaut und schon dort ein vernichtendes Urteil gefällt. Jetzt war Passau an der Reihe. Die Mobilitätsscouts sind eine bunt gemischte Truppe, die möglichst viele potenzielle Barrieren erkennen und benennen soll. In Passau sind Rollstuhlfahrer dabei, Sehbehinderte, aber auch Senioren und eine Mutter mit Kleinkind. Sie haben die Bushaltestelle, die von den Flix-Fernbussen angefahren wird, auf Herz und Nieren geprüft und das Ergebnis vor Ort mit Stadträtin Sissi Geyer besprochen.

Das Ergebnis ist kein Ruhmesblatt, es fehlt so ziemlich an allem. Anstatt eines „Kasseler Sonderbords“, das den Einstieg für Geh und Sehbehinderte erleichtert, findet sich nur ein hoher Randstein. Um eine Rampe für Rollstuhlfahrer zu finden, muss ein gehöriger Umweg in Kauf genommen werden. Außerdem seien Seh- und Hörbeeinträchtigte an der Haltestelle aufgeschmissen, es fehlen Anzeigen nach dem ,Zwei-Sinne-Prinzip‘, wonach mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen und Tasten abgedeckt sein sollen. Nothnagels bewusst diplomatisch gehaltenes Fazit: „In dem Zustand geht’s nicht. Hier muss dringend was getan werden.“ Dabei hätte der Fernbusbahnhof durchaus Potenzial, die Lage sei durch die Nähe zum Hauptbahnhof und zur Innenstadt optimal.

Angesichts der deutschlandweiten Situation zeigt sich Nothnagel entrüstet. „Was nützt der barrierefreie Fernbus“, fragt er rhetorisch in die Runde, „wenn es schon an den Haltestellen Barrieren gibt?“ Vor allem mit der Politik hat er hier ein Hühnchen zu rupfen: „Die Bundesregierung und die Kommunen scheinen keinen Bock darauf zu haben, hier zu kontrollieren. So wird das nichts bis 2020".

Er und seine Kollegen vom BSK hätten daher „auf gut Deutsch gesagt die Schnauze voll. Wenn die Kommunen nicht kontrollieren, machen wir das eben selber.“ Also will er alle Betroffenen dazu aufrufen, sich zu engagieren: „Zu viele Beeinträchtigte bleiben still. Sie sollten ihre Stimme erheben und selbst in die Politik gehen, dann werden wir auch gehört.“

Zumindest bei Stadträtin Geyer fanden Nothnagel und seine Scouts ein offenes Ohr. Das ihr präsentierte Ergebnis der Ortsbeschau sei „nicht schön“, gibt sie zu. Dabei zeigte sie sich angetan vom Konzept der Mobilitätsscouts, die Aktion sei ein wahrer Augenöffner: „Das Problem ist tatsächlich augenfällig“, sagt sie mit Blick auf eine Rollstuhlfahrerin, die vor dem unüberwindbaren Randstein steht. „Ich finde es gut, dass man hier sensibilisiert wird. Man wird sich so der Problemlage erst bewusst, weil man es selber nicht erlebt.“ Gleichzeitig brach Geyer eine Lanze für die Stadt: „Wenn in Passau etwas baulich verändert wird, wird die Barrierefreiheit auch berücksichtigt. Das wird sukzessive gemacht.“

Unklar blieb allen Beteiligten, wer für einen Umbau überhaupt verantwortlich wäre: die Stadt oder FlixBus? Auf PNP-Nachfrageerklärte Herbert Zillinger, Sprecher des OB-Büros, dass es sich hier um Fernverkehr handelt, deshalb stehe die Stadt „weder inhaltlich noch finanziell in der Verantwortung, die Haltestellen zu errichten oder zu betreiben“.

 

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