Noch keine Einigung und Lösung mit der Stadtverwaltung Verden in Sicht

Erstellt von Julia Walter | |   Bauen

Bereits mehrfach wurde in Leben & Weg über den nicht barrierefreien Bahnhof in Verden berichtet. Leider konnte bisher mit der Stadt keine Einigung erzielt werden. Dabei sind bereits mehrere Unfälle von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung vorgefallen, die eindeutig auf die mangelhafte Umsetzung der Barrierefreiheit zurückzuführen sind.

Der Bahnhofsvorplatz in seiner jetzigen Gestaltung genügt in keiner Weise den einschlägigen DIN-Normen zur barrierefreien Gestaltung von öffentlichen Plätzen. Er weist zusätzlich Mängel unter dem reinen Sicherheitsaspekt für die Nutzung durch Jedermann auf. Im Ergebnis handelt es sich hierbei geradezu um einen perfekten Fall für eine Verbandsklage, da Mängel kaum deutlicher dokumentiert werden können.

Die Rechtslage in Niedersachsen sieht wie folgt aus:

§ 13 NBGG: „...auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 4 Abs. 2 und die Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit nach § 6 Abs. 1, §§ 7 oder 8.“- § 7 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr (NBGG)
1. Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten öffentlicher Stellen sollen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. Von den diesen Regeln kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung die Anforderungen an die Barrierefreiheit in gleichem Maß erfüllt werden. Ausnahmen von Satz 1 sind bei großen Um- und Erweiterungsbauten zulässig, soweit die Anforderungen an die Barrierefreiheit nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.
2. Sonstige öffentliche bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel im öffentlichen Personennahverkehr sind barrierefrei zu gestalten, soweit dies durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist.

Weiterhin liegt ein Gerichtsurteil zu einem Unfall auf dem Bahnhofsvorplatz vor. Eine junge, berufstätige Frau hat die in der Fläche der eingebauten Treppenstufen ohne vordere Erkennungsstreifen mit zu wenig Farbkontrast übersehen. Sie stürzte und erlitt einen Schulterbruch. Die Stadt Verden wurde verklagt und musste 2.000 € Schmerzensgeld zahlen. Eine umfassende Urteilsbegründung erfolgte. Dabei verwies das Gericht auf die durch die Klägerin vorgetragenen Mängel. Die Klägerin habe die Treppenstufen nicht wahrgenommen. Die im Niveau unterschiedlichen Höhen waren nicht erkennbar. Das Urteil lautet: Mit einer solchen „hinterhältigen Bebauung“ müsse man im normalen öffentlichen Raum nicht rechnen.“

Unter den Entscheidungsgründen steht: „Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenstelle schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.“ Gegen dieses Urteil legte die Stadt Verden Einspruch ein und das Verfahren wurde vor dem OLG Celle fortgeführt. Die Prüfung des Urteils durch das OLG Celle ergab eine volle Bestätigung des geschriebenen Landgerichtsurteil Verden. Das OLG Celle beendete diesen Rechtsstreit. Eine Berufung wurde nicht zugelassen. Somit ist das Urteil rechtskräftig.

Der BSK hatte mit der Stadtverwaltung Gespräche geführt und nochmals auf die Mängel hingewiesen. Dazu sollte es ein Vor-Ort-Treffen am Bahnhofsvorplatz geben. Leider ist es nie zu diesem Treffen gekommen, da die Stadt auf keine Kontaktaufnahme des BSK reagiert hat. In der Zwischenzeit hatte die Stadtverwaltung einen Container als Bahnhofstoilette angeschafft, auch mit einer barrierefreien Toilette, die sich in der Praxis jedoch nicht als barrierefrei erwies. Daraufhin erhielt der Behindertenbeauftragte der Stadt Verden ein Schreiben vom BSK mit Verbesserungs- und Veränderungsvorschlägen zur barrierefreien Toilette. Ein leitender Mitarbeiter der Stadt versicherte, dass sich einiges ändern sollte. Dies ist jedoch bis heute nicht passiert.

Der BSK entschloss sich daraufhin, eine Verbandsklage gegen die Stadt anzustreben. Herr Dr. Michael Richter, zugelassener Anwalt und Geschäftsführer der DBSV Rechtsberatungsgesellschaft „Rechte behinderter Menschen gGmbH“, unterstützte dieses Vorhaben. Doch leider reicht die Gesetzeslage in Niedersachsen für eine Verbandsklage nicht aus, denn die Rechtsvorschriften sind zu unverbindlich formuliert. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wie z.B. in Bayern, wo für genau den gleichen Fall eine Verbandsklage möglich gewesen wäre. Auch in anderen Bundesländern ist die Gesetzeslage ähnlich wie in Niedersachsen – ein bundesweites Problem.

Hier muss eine Änderung der Gesetzeslage her. Betroffene können sich an den Petitionsausschuss des jeweiligen Bundeslandes wenden und dort einen Petitionsantrag stellen. So wird auf das Problem aufmerksam gemacht und die Regierung muss sich mit dem Thema auseinandersetzen. „Der BSK wird sich weiterhin für den Fall des nicht barrierefreien Bahnhofsvorplatzes in Verden einsetzen, denn es kann nicht sein, dass zum einen Menschen mit Beeinträchtigung benachteiligt werden und zum anderen Gesetze existieren, die derarat unverbindlich formuliert sind, dass gerade das wichtige Thema Barrierefreiheit vernachlässigt wird“, so Julia Walter, Referentin für Barrierefreiheit beim BSK.

Der Fall in Verden zeigt erneut, dass Barrieren die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung ausgrenzen, diese im täglichen Leben eingeschränkt werden sowie die Gefahr von Unfällen für alle erhöht ist.

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