Workshop Mobilitäts-Scouts Februar 2017

Artikel aus der Pforzheimer Zeitung, 19.02.2017

Totale Katastrophe“, so fasst Maik Nothnagel, Referent für Gesundheit und Soziales des Bundesverbands Selbsthilfe Körperbehinderte, die Lage am derzeitigen Fernbusbahnhof in Pforzheim aber auch bei den Fernbusbetreibern selbst, zusammen.

Zur Überprüfung der Barrierefreiheit auf den Fernlinienbussen in Deutschland hat der Verband sogenannte Mobilitäts-Scouts in Einsatz gebracht, die sowohl die Busse der Fernlinienanbieter als auch die Strecken testen. Am Samstag waren rund zehn Körperbehinderte mit deren Assistenten auch in der Goldstadt zu solchen Scouts geschult worden. Im Rahmen dieses Workshops wurden sie von Uwe Weiss vom Flächen- und Tiefbauamt sowohl über den barrierefrei ausgebauten Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) als auch den Fernbusbahnhof geführt. Mit ernüchterndem Ergebnis, wie die Teilnehmer um Nothnagel auch Bürgermeisterin Monika Müller und der Inklusionsbeauftragten der Stadt Pforzheim, Birgit Kühner-Hornyai im Gespräch mitteilten.

So ganz barrierefrei erweist sich denn auch der ZOB nicht. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Foto stellt der Übergang vom Vorplatz am Burger King zu den Bussteigen bereits ein Hindernis dar. Der Bürgersteig ist zu hoch, eine Absenkung gibt es nur ganz vorne am Vorplatz, die Absenkungen der Bussteige auf dieser Seite führen dementsprechend ins Leere, weite Umwege müssen in Kauf genommen werden. Eine Behindertentoilette gibt es zwar in der Unterführung, allein das Hinweisschild fehle noch. Allerdings ist die Toilette wegen Vandalismus defekt. Auch im Bahnhof, wo derzeit umgebaut wird und ebenfalls eine bereits installierte Behindertentoilette beschädigt wurde, findet man keinerlei Erleichterung als Reisender mit körperlichen Einschränkungen.

Toiletten-Drama

Und jene Toilette, die am Fernbahnhof im Untergeschoss eingebaut wurde: ebenfalls kaputt. Monika Müller sagt einem der Teilnehmer bedauernd: „Im Moment kann ich Ihnen nicht empfehlen, mit dem Bus hierher zu kommen.“ Sie glaubt zudem, dass es weitere Angebote als jene Behindertentoilette im Untergeschoss des Fernbusbahnhofs geben müsse in der Stadt. Die Lage sei nicht gerade günstig. Man habe noch viel zu tun was das Thema betreffe. Nothnagel fasst die Gegebenheiten am Fernbusbahnhof zusammen: es fehle an visuellen und Audioansagen, die Bürgersteige seien nicht behindertengerecht, im Grunde müsste alles neu gestaltet werden.

Allerdings, gibt einer der Mobilitätsscouts zu bedenken, fange behindertengerechtes Reisen bereits bei der Buchung an. Wer mit einem Rollstuhl im Fernbus unterwegs sei müsse vorher wissen, ob auf der Strecke Pausen in ausreichender Länge eingelegt würden, damit man mit dem Rollstuhl aus dem Bus, zu einer entsprechenden Toilette (so vorhanden) und wieder zurück komme.

Sei das nicht angegeben, werde es schwierig. Dabei, so Nothnagel, gehörten gerade Körperbehinderte oft nicht zu den Besserverdienern und seien deshalb auf kostengünstige Mobilität angewiesen. Darauf hat der Gesetzgeber zumindest auf dem Papier reagiert: Per Gesetz müssen seit dem 1. Januar 2016 alle neu angeschafften Fernlinienbusse mit zwei Rollstuhlstellplätzen ausgestattet sein.

 

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